Donnerstag, 26. Mai 2016

Büüücher!



Als vor ein paar Monaten das erste zu lesende Buch in einem Karton aufgetaucht ist, habe ich alle Aufgaben stehen und liegen lassen, damit ich mich sofort darauf stürzen konnte.


„Arnes Nachlass von Siegfried Lenz

Schulbücher, oder besser gesagt, Pflichtlektüren, die im Deutschunterricht gelesen wurden, waren wie zusätzliche Hausaufgaben ohne das Limit einer Aufgabennummer. Strafarbeiten, die uns daran erinnerten, dass wir in der Schule das Recht auf eine anständige Folter hatten. Damals wurde uns das von diversen Deutschlehrern mit dem Kontext verkauft, dass wir ja im Land der Dichter und Denker lebten und die Leiden des jungen Wärters offenbar so böse wehtun mussten, dass es das Buch wert sein musste, über die offensichtlichen Schmerzen dieses Wärters zu lesen.

Über das Schulsystem zu mängeln wäre allzu leicht. Das hat jeder schon mal gemacht. Und nur darüber zu sprechen, dass gewisse Bücher völlig veraltet für angenehmen Lesespaß mit anschließender Analyse sind, hat noch keinen Bildungsminister dazu gebracht, mal etwas zu verändern. So zieht sich eine Schulzeit gut und gerne mal mit furchtbar staubigen, zerrissenen und total widerspenstig zu lesenden Büchern hin. Der Schimmelreiter. Kabale und Liebe. Romeo und Julia. Faust I und II.

Und immer, am Ende, wenn wenigstens ein Protagonist sympathisch wurde, starben entweder er oder gleich alle Menschen. Gut, dass Romeo und Julia starben. Die zwei hielten sich unausstehlich lang mit der Angst vor ihren Familien, anstatt einfach das Weite zu suchen. Auch Faust, der trotz seiner Sympathie zu mir, immer unverschämter mit seinem glücklichen Schicksal umging, den Teufel an der kurzen Leine zu führen. Warum auch immer, aber der Sekretär Wurm (Kabale und Liebe) war mir als einziger in dem Roman angenehm. Warum? Weil er der Böse war? Weil er klüger war und dies für seine eigenen Zwecke ausnutzte?
Ganz und gar nicht. Aber dieser Mann war gefestigt, stand zu seiner Position und hinterfragte sein Handeln nicht ständig mit philosophischem Gewäsch. Er war Schmied seines Schicksals und spinnte ein raffiniertes Netz, während alle anderen Protagonisten in den Himmel starrten und sich fragten, was sie in dieser Welt ohne Liebe tun sollten.


Zurück zu „Arnes Nachlass. Seit ein paar Jährchen aus der Regelschule raus, bin ich dem Thema offener gegenüber getreten. Ich habe mir das Buch in PDF-Form auf ein mobiles Gerät geladen und dann und wann heraus geholt, um weiter zu lesen.

Tatsächlich war es recht spannend zu lesen, obwohl ich ab und zu den Verdacht hatte, der Autor wollte ein paar Passagen mit voller Absicht langweilig aussehen lassen. Die Charaktere hatten kaum Tiefe, wenn auch ein liebenswertes stumpfes Dasein. Jeder war in seinem eigenen Rollenklischee gefangen. Der schweigsame Ex-Knacki. Der stolze, strenge und emotional etwas (sehr) blinde Vater. Der stille introvertierte Junge. Und um alle Akteure (< solltet ihr nicht in die Antwort schreiben, es handelt sich ja um echte Personen, keine darstellenden Gestalten [Ironie aus]) herum, befand sich eine Käseglocke des Schweigens. Keiner spricht miteinander. Auch sonst wird schweigend gewertet. Sich sein Teil gedacht. In mir kochte immer öfter die Wut und das Bedürfnis hoch, wieder mal einen der Darsteller anzubrüllen, er solle endlich mal sagen, was Sache ist.

Am Ende war das Buch so beliebig, dass sich mein Verdacht irgendwie bestätigte. Der Autor gab sich entweder absichtlich kaum noch richtig Mühe, die wenigen spannungsgeladenen Szenen mit adrenalinfördernden Details auszustatten. Oder er hatte es einfach nicht drauf. Eiserne Verfechter des Buches mögen schon die ersten Steine in meine Richtung strecken. Aber nur so viel: Das Buch war lesbar. Es war gut. Trotz der dürftigen emotionalen Szenen gab es viele Ecken, die man mit eigener Fantasie hat ausfüllen können. Ich bin nur einfach Besseres gewohnt. Und das ist nicht kritisch gegenüber einem Mann gemeint, der vermutlich in Hamburg eine literarische Legende ist, weil da fast jeder mal ein Bier mit ihm getrunken hat. Es ist die Anforderung an mich - den Leser - bessere oder gleichstarke Bücher zu lesen, die ich bereits kenne.

Doch letztendlich ändern sich manche Dinge im Bezug auf die Schule nie. Schullektüren bleiben eben Schullektüren. Alt. Schwach. Schwer zu interpretieren. Und bespickt mit lauter (teilweise unsinnigen) Details, die man zur Klausur dann noch genau wissen muss. Ein Hinweis an alle zukünftigen Leser des Buchs: Merkt euch jeden Gegenstand, den der Protagonist erhalten hat. Die grenzen nämlich die Kapitel voneinander ab.

Darauf bekam ich übrigens eine 2. Ich habe nicht mehr erwartet. Eher weniger.

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